Veranstaltungen 2020 - Verlag-Blaues-Schloss

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Veranstaltungen aus dem Jahr 2020:


„Napoleon: Eine Biographie“


von Johannes Willms

Sonntag, den 27. September 2020, im Cineplex Marburg







Ludwig Legge stellt im Cineplex den Autor vor


"Meine Damen und Herren, Johannes Willms ist als Sohn eines Verfassungsrichters in Karlsruhe geboren, hat am dortigen Bismarckgymnasium seine Schulbildung absolviert. Er hat klassische Philologie, Politik, Geschichte auch an ausländischen Universitäten studiert, lebt nun in Paris, arbeitet aber auch in München nach einer erfolgreichen Karriere als Chef der Sendung Aspekte beim ZDF und als Feuilletonchef bei der Süddeutschen, deren Kulturkorrespondent er nach wie vor ist."


Willms stellt drei Bücher vor, die „Napoleon“ im Titel führen





Nach der großen Biografie über Napoleon hatte Willms noch einmal zwei Aspekte herausgestellt.
Zum einen, das politische Tun und Wollen Napoleons, und zum anderen:

die Selbsterfindung Napoleons: erstens, als er sich als Bonaparte, als General und Politiker, der sich nach der Revolution zum ersten Konsul machte und dann zum Kaiser und dann zweitens, nach seinem Untergang 1815 in Waterloo, wo er auf Helena sich als liberal darstellt, was Willms mit den Worten ausdrückt:

„Napoleon gibt sich als Liberaler, spielt sich damit in den damals in Europa herrschenden Zeitgeist ein, der über die Ergebnisse des Wiener Kongresses und die daraus sich ergebende Aufteilung der Macht unzufrieden war, und bietet sich als Retter an, als Figur, an der man sich orientieren kann. - Das ist natürlich eine reine Fiktion.“








Um dem Publikum einen Eindruck von den drei Büchern zu vermitteln, las Willms jeweils das Vorwort und das Nachwort: gleichsam als Sprung von der Wiege zur Bahre.


Von der Wiege ….


„Bereits die Umstände ihrer Geburt, so wird gerne geglaubt, verweisen auf die künftige Bestimmung großer Persönlichkeiten. Von Napoleon berichtet die Legende, seine Mutter sei am 15. August 1769 – es war der Tag Mariä Himmelfahrt – in Ajaccio auf Korsika auf einem Teppich mit Schlachtszenen aus Homers Ilias niedergekommen. Aus dem Dunkel des Mutterschoßes entlassen, seien diese heroischen Bilder seine ersten Eindrücke der Welt gewesen. Den blühenden Unsinn hat die Mutter später mit dem schlichten Hinweis ins Reich der Fabel verbannt: ‚in Ihrem Haus habe es keine Teppiche gegeben.‘“

Mag auf diese Weise die Wirkungssphäre der Geburtsumstände umschrieben sein, so bleibt noch die der Einordnung in die Geschwisterschaft Napoleons zu erwähnen, in der er ein Zweitgeborener war. Der Erstgeborene aber, der Joseph hieß, insoweit aber dafür deplatziert schien, da er mit seinen moralischen und geistigen Qualitäten seinem jüngeren Bruder weit unterlegen war.

Diese Unterlegenheit wiederholte sich im Verhältnis des Vaters Napoleons zu seiner Mutter. So war es die Mutter, welche in der frühen Erziehung, durch ihr strenges Regiment „den früh ausgeprägten eigenen Willen ihres Zweitgeborenen durch häufige Züchtigungen zu brechen suchte.“ Napoleon jedenfalls soll es ihr nicht nachgetragen haben, sondern vielmehr versichert: Er verdanke ihr viel, denn sie habe seinen Verstand geformt und ihm seinen Stolz vermittelt.

All das also, wäre die Aufgabe des Vaters gewesen, was aber dem politisch opportunistischen Carlo Bonaparte nicht gelang. Er wandte sich nach der Niederlage der Korsen von Ponte Novo nicht nur von ihrem Führer Paroli ab, sondern trat 1771 als Assessor in den französischen Justizdienst ein. Als eine Frucht der Kollaboration kamen seine Söhne Joseph und Napoleon in den Genuss königlicher Stipendien, sodass Joseph für das Priesteramt ausgebildet werden konnte, indessen Napoleon eine militärische Karriere einschlug.

Zu diesem Zweck begann Napoleons Ausbildung im Januar 1779 in einer burgundischen Vorschule aber auch eröffnete sich „für den erst neunjährigen Napoleon ein Leidensweg, dessen Härte er noch in der Verbannung auf Sankt Helena lebhaft beschwor.“

Ob nun sein Gehänseltwerden „von den Mitschülern wegen seines fremdartigen Aussehens, seiner korsischen Herkunft und seiner eigenwilligen Aussprache des Französischen die er bis ans Ende seiner Tage nicht ablegen sollte“ den Keim legte, in dem der Einzelgänger seine Machtfantasien sehr üppig gedeihen ließ, in denen er sich als Held der korsischen Unabhängigkeit träumte, mag eher seinem Alter und seiner Situation gemäß gewesen sein, statt auf etwas Besonderes in ihm hinzuweisen.

Dass aber nicht nur träumen Napoleons Sache war, sondern auch ein bereits sehr frühes scharfes Analysieren von Personen und Umständen, zeigt sein ausführlicher Brief, in dem er vehement von einer militärischen Ausbildung seines älteren Bruders Joseph abriet.

„In dieser erschreckend hellsichtigen und von kühler Pragmatik gekennzeichnete Analyse des noch nicht 15-jährigen Napoleons“, kommentierte Willms „weht einem nicht nur die Eifersucht gegen den Erstgeborenen entgegen, sondern es zeigen sich bereits wichtige Wesenszüge, die später den General, den ersten Konsul und schließlich den Kaiser charakterisieren werden.“



Die gleichermaßen kalte, karge als auch klägliche Ausbildung in der von Benediktinern geleiteten Militärschule von Brienn-le-Chateau teilte er mit vielen seiner Mitschüler. Der Leidensweg führte immerhin 1784 nach Paris, wo Napoleon als „cadet gentilhomme“ in die École Militaire“ eintrat, die in ihrer Ausstattung und Versorgung der 215 Kadetten mit Professoren, Priestern, Reitlehrern, Stall-, Pferdeknechten und sonstiger Dienerschaft gut ausgestattet war.



... zur Bahre


„Die letzten drei Jahre seines Lebens waren geprägt von tiefer Resignation.“ Ihm blieb nur, „seine Existenz zu fristen.“ Um die Langeweile zu überwinden stürzte er sich in Gartenarbeiten. „Auf beiden Seiten des Hauptgebäudes wurden Blumenbeete angelegt und mit einem Holzzaun eingefriedet.“ Langeweile und die Einsicht auf St. Helena sein Ende zu finden, verzehrte seinen Lebensmut.
Aber auch jene aus fünf Personen: zwei Priestern, einem Arzt, einem Diener und einem Koch bestehende „petite caravane“, die am 21. September 1890 auf St. Helena eintraf, zehrte wie eine klapperige Mähre an Napoleons Kräften.

Mit dieser armseligen Truppe von Unfähigen „bedankte sich der ‚Clan‘ bei Napoleon, den er mit Reichtümern überschüttet hatte. Die beiden Priester und der Quacksalber waren Korsen. Später behaupteten einige, sie sei mit Bedacht ausgesucht worden, um Napoleon zu demonstrieren, wie viel Unfähigkeit, Ignoranz und Intrige sein Heimatland hervorbringe.“

Mitte September ließen seine Kräfte spürbar nach. Jede körperliche Anstrengung erschöpfte ihn. So wurde berichtet:

„Er hat jeglichen Appetit verloren, nichts vermag mehr zu verlocken. Vom Braten, den man ihn serviert, nimmt er sich allenfalls die Kruste. Aus dieser saugt er den Saft heraus, ohne das Fleisch schlucken zu können.“

Dann bestand seine Nahrung nur noch aus geröstetem Brot in Sirup getaucht, dass er nur mit größter Mühe schlucken konnte.

„Rasieren? Das sind die Arbeiten eines Herkules! Er spült sich den Mund aus, und damit ist seine ganze Toilette beendet.“

Der Tod hatte für Napoleon keinen Stachel mehr. Er ersehnte ihn als Erlösung. Ende April fiel er ins Koma, aus dem er kaum mehr aufwachte. Am Nachmittag des 5. Mai 1821 gegen 18:00 Uhr trat er dem Tod entgegen.




Das Wetter kommentierte das Ereignis auf seine Weise:

„Den ganzen Tag über trieb ein heftiger Sturm über die Insel, der viele jener Bäume entwurzelte die er hatte pflanzen lassen und auch jene Weide fällte, unter der er gern gesessen hatte. Als der Sturm abgeebbt, wich das Leben von ihm.“


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