Veranstaltungen 2019
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Einleitung Ludwig Legge
"Meine Damen und Herren, ich freue mich besonders, dass unser Mitglied Professor Dr. Wolfgang G. Müller, zuletzt in Jena tätig, ein bekannter Anglist, diesen Vortrag übernommen hat. Stefan Gille, ein Schauspieler, den Sie von der letzten Woche bereits kennen, wird den Hamlet-Monolog sprechen.
Shakespeare ist mit 38 Dramen einer der größten Dramatiker. Man hat ausgerechnet, dass er in seinen Dramen über 17.750 verschiedene Wörter verwendet. Shakespeare wurde von T. S. Eliot, dem englischen Nobelpreisträger, als “Mona Lisa der Literatur“ charakterisiert. In Deutschland ist Shakespeare vollkommen eingemeindet. Und das sicherlich bedingt durch die großen Shakespeare-Übersetzungen der Schlegels. Shakespeare ist also immer noch sehr präsent für einen Autor aus dem 17. Jahrhundert.
Meine Damen und Herren, wir haben hier eine wunderbar kommentierte, zweisprachige Ausgabe mit Einleitung und Kommentar unseres heutigen Redners. Hamlet ist das populärste Shakespeare-Stück Deutschlands. Freiligrath hat gesagt: 'Hamlet ist Deutschland.' Das liegt daran, dass es auch ein sehr reflexives Drama ist. Es ist ein Drama der Seelenzergliederung, der Beschäftigung mit dem Ich. Das war für die damalige Zeit etwas ganz Modernes."
Wolfgang G. Müller führte den Rezitator des Monologs „Sein oder Nichtsein“ mit folgenden Worten ein:
„Es ist in der Tat der bekannteste Teil aus Hamlet und der Monolog ist auch ein dramatischer Höhepunkt. Obwohl er nur gesprochen wird und dabei nicht gehandelt wird, warten alle Zuschauer, Zuhörer, Zuhörerinnen auf diesen Monolog. Wir warten jetzt auf Stefan Gilles Rezitation ‚Sein oder Nichtsein.‘ “
“Deutschland ist Hamlet“
"Die Deutschen hatten schon immer eine besondere Beziehung zu Shakespeare. Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft (gegründet 1864) war die erste wissenschaftliche, kulturprägende Gesellschaft, lange bevor in England jemand daran gedacht hat, eine englische Shakespeare-Gesellschaft zu gründen und einige Zeit, bevor man in Deutschland daran gedacht hatte, eine Goethe-Gesellschaft zu gründen. 'Jetzt haben wir unseren deutschen Shakespeare.' So wurde die Schlegel-Übersetzung gefeiert. Shakespeare wurde damit zum dritten deutschen Klassiker, neben Goethe und Schiller. Das hatte auch zu Identitätsproblemen geführt. Die Deutschen wollten Shakespeare als Deutschen haben:
'Deutschland ist Hamlet.' Das aber wiederum war kritisch gemeint. Man verstand Hamlet als den Typus eines intellektuellen, der über intensiver Introspektion das Handeln vernachlässigte. Deutschland soll nicht sein wie der auf sein Ich bezogene Hamlet, sondern Deutschland solle aktiv für die Freiheit kämpfen."
Müller beschäftigte sich in seiner Darstellung vor allem mit der ethischen Problematik des Protagonisten Hamlet.
Dabei verweist er auf Homers Achill. Auch dieser sieht sich mit seinem Racheimpuls konfrontiert, auf Grund Agamemnons schändlichen Verhaltens gegenüber ihm. Homer lässt aber Athene mit ihren Worten an Achill eingreifen:
„Gekommen bin ich, Einhalt zu tun deinem Ungestüm, wenn du mir folgtest […] lass ab vom Streit und ziehe nicht das Schwert mit der Hand! Aber freilich, mit Worten halte ihm vor, wie es auch sein wird.“55
Leon_Benouville_The_Wrath_of_Achilles-wikipedia
Hamlet weist als tragische Figur ein großes Maß an Komplexität auf
" 'Hamlet' ist im hohen Maße ein ethisch konzipiertes Drama, eine Tragödie, deren Protagonist eine moralisch extrem sensible Bühnenfigur ist, die sich mit einer korrupten höfischen Welt konfrontiert sieht. Offener Widerstand wäre für Hamlet undenkbar, weil der Stiefvater, Bruder und Mörder seines Vaters, zweiter Ehemann seiner Mutter, zu jedem Schurkenstück bereit ist, um den Prinzen zu vernichten, wenn er sich durch ihn bedroht fühlt. Hamlet wendet in dieser Situation indirekte Mittel des Widerstandes an: Verstellung und Rollenspiel. Mittel also, die eigentlich zum Verhalten des Höflings gehören, die aber hier, in einem repressiven Umfeld, in den Dienst der Kritik und der Behauptung der Freiheit gestellt werden. Was das Drama so bühnenwirksam macht, ist die Tatsache, dass Hamlet seine vielen Rollen mit schauspielerischem Raffinement spielt.
Die ethische Substanz der Hamlet-Figur zeigt sich vor allem darin, dass sie im Unterschied zu dem Protagonisten der traditionellen Rachetragödie nicht zum Ausdenken und zum Ausführen eines Racheplans befähigt ist. Trotzdem macht er sich in seinen Monologen die bittersten Vorwürfe, weil er nicht imstande ist, die Rachehandlung durchzuführen. Er klagt sich gerade wegen einer Eigenschaft an, die seine Identität als ethische Person konstituiert. Es ist eben manchmal sehr schwierig, moralisch zu handeln. Es mag das Leben erleichtern, aber es kann auch sehr schwer sein. Hamlet ist jedoch kein Mörder, der zu einem zuvor durchdachten Mord fähig ist. Ihm deshalb Handlungsunfähigkeit zu attestieren, ist ein Fehlurteil. Mehrfach zeigt er, dass er durchaus handeln kann. Hamlet beging auch Fehler, zum Beispiel in der Szene mit Ophelia, als er sie, ohne es nachzuprüfen, als Teil der verschworenen Hofgesellschaft sieht. Sein Verhalten erklärt sich aus extremer Verletzung, weil er glaubte, dass ein für ihn emotional wichtiger Mensch sich in das Intrigenspiel des Hofes gegen ihn hat einbinden lassen. Andererseits führte er eine äußerst intensive Auseinandersetzung mit seiner Mutter, um sie auf seine Seite zu ziehen."
Hamlet als Tragödie ist ein ethischer Grenzfall.
Sie hat aber keine moralische Botschaft.
"Der Forderung der Rache, die in einen früher archaischen, atavistischen Kulturzustand gehört, kann Hamlet, den Shakespeare als neuzeitlichen Intellektuellen konzipierte, nicht entsprechen. Hamlet ist ein im hohen Maße bestimmtes ethisches Drama. Es verbindet aber keine moralische Botschaft. Das Drama sensibilisiert den Zuschauer oder den Leser für die ethische Problematik des Handelns in einem persönlichen und politischen Zusammenhang. Es zeigt die condito humana am Beispiel eines komplexen Einzelfalls auf ethischer Perspektive und vermittelt eine Erkenntnis, die sich von der in der Philosophie herausgearbeiteten Erkenntnis unterscheidet.
'Was für ein Meisterwerk ist ein Mensch, wie edel an Vernunft, wie unbegrenzt an Fähigkeiten; in Gestalt und Bewegung wie vollendet und bewundernswert, im Handeln wie sehr einem Engel gleich, an Erkenntnis wie sehr einem Gott gleich; die Schönheit der Welt, der vollkommene Inbegriff aller Lebewesen! Und doch, was bedeutet mir diese Quintessenz des Staubs?'
Dass es ein zutiefst ethisch fundiertes Drama ist von hoher Bühnenwirksamkeit und überdies noch vielfach Komik aufweist, verdanken wir der unvergleichlichen Kunst William Shakespeares."
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