Veranstaltungen 2018
H. G. Wells: Pionier der Science Fiction
und Literat der Globalisierung
und Literat der Globalisierung
Prof. Dr. Heinz-Joachim Müllenbrock (Göttingen)
So, 21. Januar 2018, 11 Uhr, Café Vetter

Ludwig Legge stellte den Referenten mit den Worten vor:


Wells stammte aus einfachen Verhältnissen, aus der unteren Mittelschicht. Seine Mutter hatte immer Wert darauf gelegt, sich gegen das Proletariat abzugrenzen. Möglichst keine Liebschaften aus diesen Bereichen. Er ist als Schriftsteller durchaus zu Reichtum gekommen. Wells ist einer der großen Beginner der Science Fiction.
Filme wie “Die Zeitmaschine“, „Die ersten Menschen auf dem Mond", „Krieg der Welten.“ Diese Filme waren und sind noch sehr populär."
Heinz-Joachim Müllenbrock leitete seinen Vortrag ein:

Heute möchte ich über einen Autor sprechen, mit dem ich sozusagen von Kindesbeinen an vertraut bin. Mit Kindesbeinen meine ich meine studentischen Fortbewegungswerkzeuge. Denn meine akademische Laufbahn verlief über mehrere Etappen, die mit dem Namen Wells verbunden waren.
Zunächst schrieb ich meine Staatsexamensarbeit über Wells, der dann auch eine zentrale Rolle in meiner Dissertation spielte, die 1967 in Buchform unter dem Titel 'Literatur und Zeitgeschichte in England zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges' veröffentlicht wurde. Auch später habe ich Wells nie aus den Augen verloren und mehrere Aufsätze über ihn verfasst. In meinen Vorlesungen zur Geschichte der Englischen Utopie hatte er stets einen festen Platz inne. In der jüngsten Zeit habe ich mich publizistisch und in wissenschaftlichen Zeitschriften über ihn geäußert. Wobei meine Aufmerksamkeit vor allem dem politischen Schriftsteller Wells galt, der die Entwicklung seines Landes als kritischer Kommentator begleitete und sich namentlich als Propagandist eines Weltstaates im europäischen und transatlantischen Austausch politisch-sozialer Ideen profilierte. Auf diesen Wells werde ich später noch zurückkommen.

Ich veranschauliche Ihnen Wells' existenzielle Anfänge, indem ich unter enger Anlehnung an seine Autobiografie „Experiment in Autobiography“ das engste soziale Umfeld des künftigen Autors beschreibe. Herbert George Wells wurde am 21. September 1866 in dem damals noch von London abgeschiedenen Städtchen Bromley in der Grafschaft Kent in eine Familie der unteren Mittelklasse geboren. Dieses soziologische Eingangsdatum liefert den Schlüssel für das Verständnis von Wells gesamtem Werdegang. Und zwar einen Schlüssel in zweifacher Hinsicht: Einerseits lieferte der schäbige und kärgliche Hintergrund seiner Jugend den Ursprungsimpuls für den innerlich früh vollzogenen Ausbruch aus der als Zwangsjacke empfundenen Enge einer gesellschaftlichen Umgebung. Andererseits war seine Zugehörigkeit zur unteren Schicht der Mittelklasse verantwortlich dafür, daß er unter dem Einfluss seiner auf Abgrenzung von der Arbeiterschaft bedachten Mutter, die als Zofe auf einem Adelsgut beschäftigt war, ebenfalls ein tiefes Abgrenzungsbedürfnis gegenüber dieser Klasse entwickelte. Dieses Vorurteil hat er nie abstreifen können. Lenin hatte ihn später als incurably middle-class bezeichnet, „unheilbar bürgerlich“. In keiner seiner Utopien hat Wells trotz durchaus vorhandener sozialistischer Sympathien der Arbeiterschaft eine gestaltende Rolle zugetraut. Die Umgestaltung der kritisierten gesellschaftlichen Verhältnisse kommt stets von oben.

Müllenbrock führte des Weiteren im akribischen und treffsicheren Stil, der an die besten Zeiten der Ordinarien-Kompetenz erinnerte, durch die Hauptwerke Wells‘. Unter der Anregung durch Thomas Henry Huxleys kritische Interpretation der darwinschen Evolutionslehre versuchte Wells Möglichkeiten der Menschheitsentwicklung im Medium der Sience-Fiction zu ergründen. Seine berühmten wissenschaftlich Märchen wie „The Time Machine“, „The War of the Worlds“, „When the Sleeper Awakes“, „The first Men in the Moon“ können als literarischer Respons auf Henry Huxleys Deutung möglicher Auswirkung der darwinschen Evolutionslehre gelesen werden.

Der „Seismograph“ des Zeitgeistes des 19. Jahrhunderts H. G. Wells gestaltete - in Erinnerung an die winzige Souterrain-Küchenstube - in späteren Jahren literarisch den alles umspannenden Weltstaat aus, um mental der Kargheit und Armut seines Zimmers mit den vergittertem Blick zu entkommen.
Einem Zimmer, das Wells als das Unglück aller Welt erscheint, und als ein Unglück, es nicht verlassen zu können. Ganz im Gegensatz zu dem Franzosen Blaise Pascal, der hingegen dem Verlassen seines Zimmers alles Unglück der Welt zugeschrieb.
So verschieden können die Auffassungen von der Ursache des Unglücks sein.
Einige kritische Stimmen aus dem Publikum verwiesen auf die bedenkliche Verwicklung Wells‘ mit vorherrschenden Meinungen des Zeitgeistes des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zum Beispiel hinsichtlich der Eugenik. Eine weitere Stimme fand es hingegen bedenklich, vergangene Zeiten an den Maßstäben des aktuellen Zeitgeistes zu messen.
Zumal, wenn er sich ausschließlich als letztgültig dünkt und wie jeder Zeitgeist glaubt, er sei die höchste Wahrheit: Sei es der des 19. oder der des 21. Jahrhunderts.
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Müllenbrock, Heinz-Joachim
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Kartoniert, 40 Seiten
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Müllenbrock, Heinz-Joachim
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Dieses Buch erfreut sich nach wie vor
einem großen Interesse.
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