Luther. Der Zorn Gottes. Heimo Schwilk 05-03-2017 - Verlag-Blaues-Schloss

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Veranstaltungen 2017


Heimo Schwilk   
Luther. Der Zorn Gottes.   
So, 5. März, 11 Uhr, Café Vetter

Heimo Schwilk schlüpft in den Kopf von Luther.  Nicht nur zu Lebzeiten Luthers ein riskantes Unterfangen. Denn Martin  hat es nicht leicht. Aber leicht hat es ihn. Selbst beim allgemein  beliebten Unterhaltungsspiel Who is Who? gerät‘s ihm leicht ins  Diabolische. Da kann er schnell im Weihrauchduft den Schwefel riechen.  Und langsam fragt sich der Zuhörer, ob Martin nun ein Gottessucher oder  ein Gottesflüchtiger sei? Denn wer sucht schon sein Unglück? Zumal die  Suche nach der Liebe Gottes Martin immer wieder dessen Zorn finden  lässt. Hält zum Beispiel ein Mann auf der Straße ein Schild hoch, auf  dem groß und breit steht „Hier ist mein Liebesangebot!“ und droht und  schreit und stampft dabei die ganze Zeit und klagt dann, dass keiner ihn  so recht lieb hat und sein großzügiges Angebot annehmen möchte, dann  wird man die Schuld kaum bei den Passanten suchen. Martin ist nicht so.  Zwar ist er auch ein Pilger auf Erden also ein vormoderner Passant, aber  er sucht die Schuld bei sich selbst. Passanten hingegen suchen in der  Regel etwas anderes.

„Für Luther“, so der Wortlaut des vorgestellten Buches Luther - Der Zorn Gottes,  „war der Zorn Gottes über den sündhaften, von ihm abgefallenen Menschen  eine unumstößliche Realität. Gott erlöst nicht nur, er verdammt auch.  Die Vorstellung eines zürnenden Gottes war ihm mindestens so  selbstverständlich wie das Liebes- und Erlösungsangebot Christi.“
    
Da  konnte Martin bei so viel Zorn einfach nur zornig werden. Aber nicht  über Gott sondern den Geldgeschäften der Kirche mit dem Zorn: „Genug!  Jetzt ist es genug!“, können wir hören oder lesen: „Der Punkt ist  erreicht, an dem er einschreiten muss!“ Und Heimo immer noch im Kopfe  Martins verlässt mit „Bruder Martin die Stadtkirche St. Marien in  Wittenberg mit festem Schritt. Martin will ein öffentliches Zeichen  setzen, dem unwürdigen Treiben ein Ende machen. Und Heimo ist dabei. Was  Martin eben in seinem Gotteshaus von einem seiner Beichtkinder gehört  hat, bestätigt alle seine Befürchtungen. Seine seelsorgerliche  Verantwortung ist in Gefahr   und damit das Heil der ihm anvertrauten  Schäfchen. Ein Wittenberger verlangte von ihm die Absolution, denn er  hatte sich tags zuvor mithilfe eines Ablasses von der Sünde der  Blutschande freigekauft.“
  
Ja, so eine intensiv-innere Beschäftigung mit Martin  hinterlässt Spuren, die der Autor Schwilk weiter aufzeichnet: „Ein so  ungeheuer dichtes, vorwärtsstürmendes Leben, das sich durch keinen  Widerstand beirren lässt, wirft die Frage auf: Wäre diese Unbeugsamkeit  auch heute noch möglich? Wie groß war der Konformitätsdruck damals, und  wie stark ist er heute? Das Aufbegehren eines einzelnen Mannes gegen  fast jede Autorität, gegen die Familie, die Schule, die Universität, die  Theologie und Kirche seiner Zeit, gegen Kaiser und Reich hat etwas  Singuläres. Der Vergleich mit der Gegenwart ernüchtert, denn das, was  Luther zu dieser Größe befähigte, der unbändige Widerspruchsgeist, hat  heute so hohe Konjunktur, dass er zur herrschenden Doktrin  geworden  ist. Je mehr man dagegen ist, umso stärker gehört man dazu. Der  Zeitgeist korrumpiert auf eine so subtile Weise, dass jeder echte  Widerstand ins Leere läuft und verpufft. Keine These könnte so abseitig  sein, dass sie sich nicht sofort vermarkten ließe oder zu Ehren der  Podien erhoben würde.“
  
Auf die selbstgestellte Frage: „Was das für den Luther-Biografen  heißt?“, findet Heimo Schwilk den Bezug zur gegenwärtigen Situation  unseres helden- und himmellosen Zeitalters: „Er befasst sich eigentlich  mit einer ausgestorbenen Spezies. Auf der freien Wildbahn wird man ihr  nicht mehr begegnen. Der Mann aus Wittenberg hat etwas  Paläontologisches, aber dafür umso Faszinierendes.“ Und Faszination  reißt schnell zum Wünschen hin: „Je mehr man sich mit der  Ausnahmegestalt Martin Luthers beschäftigt, umso mehr wünscht man sich,  dass die Mauern,. gegen die er als junger Mensch anrennen musste, vor  den heutigen Jungen nicht wie Gummiwände zurückweichen. Es geht mir um  die Heimholung einer großartigen, zugleich aber auch unheimlichen  Persönlichkeit. Was Luther antrieb, war der Furor des Gottsuchers. Es  ging von Anfang an nur um sein Seelenheil, nicht um eine Wellness der  Seele, sondern um die Rettung vor der ewigen Verdammnis!“
    
Im Direktvergleich Luther versus modern-autonomer Einzelkämpfer zieht nach Heimo Schwilk Luther die überzeugendere Karte.
„Luther war kein Rebell. Er taugt nicht als Vorbild für Greenpeace  oder die Occupy Bewegung. Er verabscheute den Aufruhr. Bei aller  religiösen Leidenschaft wir er stets loyal gegenüber der staatlichen  Obrigkeit. Er war kein Umstürzler wie Savonarola oder Thomas Müntzer,  kein Revolutionär, obwohl er durchaus revolutionär gewirkt hat.  Gottesbindung und Obrigkeitstreue waren die Säulen, auf denen sein  Lebenswerk ruhte. Luther führte einen konsequent geistigen Kampf. Nur  das Wort, nicht die Gewalt ändert die Welt, war sein Credo.“
  
Mag‘s im Zeitenwetter tatsächlich noch nicht stürmen und tosen, so ist das vorgestellte Buch Luther -  Der Zorn Gottes  zumindest auf dem Papier ein luftreinigender theologischer Sturzregen,  die das allgegenwärtige „Gott hat dich so lieb!“, „Keiner ist böse!“,  „Luther! Ein ganz toller, knuffeliger Familienvater!“ wegspült für ein  tiefergehendes und klareres Verständnis von Gott und seinem Reformator.“
Zum Buch:

Heimo Schwilk
Luther
Der Zorn Gottes      
Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
Karl Blessing Verlag (13. März 2017)
ISBN: 978-3896675224
Preis: 24,90
    
Heimo Schwilk, der sich mit seinen großen Porträts von Hermann  Hesse und Rainer Maria Rilke einen Namen als Biograf gemacht hat,  vergegenwärtigt die Lebensgeschichte Martin Luthers auf eine bisher so  nicht zu lesende Weise.
Psychologisch einfühlsam und vertraut mit der von radikalen  Umbrüchen bestimmten Epoche des ausgehenden Mittelalters, zeichnet er  ein Bild jenes Mannes, der mit seiner Neukonzeption der Theologie das  kirchliche Leben, aber auch die politischen und sozialen Verhältnisse  seiner Zeit revolutionierte – mit Wirkungen bis in die unmittelbare  Gegenwart.

Heimo Schwilk macht die scheinbar weit in die Ferne gerückte  Gestalt des Reformators lebendig und stellt sich quer zur  verharmlosenden Aktualisierung des Reformators, der keineswegs als  „Modernisierer“ zu vereinnahmen ist. Luther war kein Anwalt der  Selbstbestimmung, der Autonomie des Einzelnen, seiner unbeschränkten  Emanzipation und Mündigkeit.
    
Diese Biografie provoziert und eröffnet einen neuen, frischen  Blick auf den „Genius der Deutschen“, der als Bibelübersetzer und  Sprachschöpfer erreichte, dass die Grundfragen des Glaubens erstmals in Deutschland von einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden  konnten.
  
Heimo Schwilk, geboren 1952 in Stuttgart, war lange Jahre Leitender Redakteur der „Welt am Sonntag“ in Berlin. (Verlagsangabe).

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